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Wenn es im Knie knallt

Eine schwungvolle Drehung des Körpers über dem fest stehenden Fuß, ein starkes „Knacken“ im Knie und schon ist es passiert! Der Riss des vorderen Kreuzbandriss ist die häufigste Bandverletzung des Kniegelenkes. Es folgt eine lange Sportpause, meist eine Operation und eine anstrengende Rehabilitation.

Wer ist besonders gefährdet?

In Deutschland reißt rein statistisch ca. alle 6,5 Minuten ein Kreuzband. Große Statistiken aus den USA, der Schweiz und Deutschland bemessen die jährlichen Kosten durch diese Verletzung auf weit über 300 Millionen Euro.

Frauen, die den gleichen Sport ausüben, sind ca. 8x häufiger betroffen als Männer! Meist reißt das Kreuzband nicht allein. Häufig ist die Kombination mit einem Meniskusriss oder noch einem Innenbandriss dazu, weshalb diese unglückliche Kombination auch als „unhappy triad“ bezeichnet wird. Es ist noch nicht vollständig geklärt, warum bei einem Sportler das Kreuzband reißt, bei einem anderen nie. Ohne den Betroffenen jetzt zusätzlich Angst zu machen, aber es besteht ein höheres Risiko, nach der Verletzung auf der einen Seite in den nächsten Jahren auch einen Riss am anderen Knie zu bekommen. Bei deutschen Fußballspielerinnen hat man festgestellt, dass sie ein 5x höheres Risiko für einen zweiten Kreuzbandriss haben als jene, die noch nie einen Riss hatten.

Eine besondere Problemgruppe sind diejenigen, die das ganze Jahr keinen Sport treiben und dann in einer Woche Skiurlaub die Olympianorm erfüllen wollen.

Wie kommt es zum Riss?

Das vordere und hintere Kreuzband, Innen- und Außenmeniskus sowie die Seitenbänder stabilisieren gemeinsam mit der Oberschenkelmuskulatur das Kniegelenk. Sie ermöglichen aber auch perfekte Bewegungen.

Die Verletzung entsteht besonders oft bei Sportarten mit schnellem Richtungswechsel. Meist ist eine Drehung des Unterschenkels nach außen bei gebeugtem Knie und zusätzlichem Stress in eine X-Stellung Ursache für einen Riss des vorderen Kreuzbandes. Fußball, Handball, Tennis, Squash und alpines Skifahren sind dafür typische Sportarten, aber auch Straßen- und Arbeitsunfälle bieten derartige Risiken.

Wie wird ein Kreuzbandriss diagnostiziert?

Der Unfallmechanismus ist verantwortlich dafür, welche Strukturen am Knie Schaden nehmen. Die genaue Beschreibung des Patienten, wie „es“ passiert ist, hilft bei der Untersuchung sehr. Oft geht der Riss mit einem spürbaren Knall im Knie einher. Der Betroffene spürt einen kurzen starken Schmerz und hat das Gefühl, dass etwas nicht mehr stimmt mit dem Knie. Der Sport muss meist abgebrochen werden. Nach kurzer Zeit kommt es zu einem Anschwellen des Gelenkes. Ein blutiger Erguss führt zu einer Spannung im Gelenk und einem stärkeren und lang anhaltenden Schmerz.

Durch eine gezielte Untersuchung zur Prüfung der Stabilität des Kniegelenkes (Schubladentest u.a.) kann der Arzt die Diagnose meist schon weit eingrenzen. Die Kernspinuntersuchung (MRT) ist eine sehr zuverlässige Methode und deckt meist auch die so häufigen Zusatzverletzungen am Meniskus und Innenband auf. Bestehen Zweifel über das Verletzungsausmaß, sollte eine Arthroskopie (Kniespiegelung) durchgeführt werden. Dabei handelt es sich zwar um eine Operation mit all ihren Risiken, aber es ist möglich, den Bluterguss auszuspülen, Begleitverletzungen genau festzustellen und erste Therapieschritte einzuleiten. Allein zur Bestätigung des Risses führt man diese Operation nicht mehr durch.

Sollte man einen Riss operieren oder nicht?

Welches Vorgehen ist das Bessere? Hier existieren verschiedene Ansichten und es ist unbedingt erforderlich, mit einem Spezialisten die genaue Situation des Patienten zu besprechen.

Nicht jeder Kreuzbandriss muss operiert werden. Menschen in höherem Alter ohne große sportliche Ambitionen oder besondere berufliche Belastungen können auch ohne Operation behandelt werden. Dennoch ist auch für diese Patienten ein physiotherapeutisches Trainingskonzept unbedingt zu empfehlen, um die Beweglichkeit des Gelenkes zu erhalten und durch Kräftigung insbesondere der Oberschenkelmuskulatur die verlorene Stabilität zu kompensieren. Meist sind dafür 6-8 Wochen erforderlich.

Sportler, aktive Menschen oder jene mit notwendiger Gelenkstabilität im Beruf (Begehen von Leitern, Gelände, Dächern, Baugruben o.ä.) profitieren hingegen von einer operativen Stabilisierung. Das Alter lasse ich bewusst außen vor, denn hier hat sich durch die geänderten Ansprüche an Aktivität und Leistungsfähigkeit in Sport und Freizeit eine deutliche Verschiebung in das höhere Alter ergeben und es werden auch Verletzte über 60 Jahre operiert.

Was passiert bei einer Op?

Die Operation, die heute minimalinvasiv durch Arthroskopie und mit sehr kleinen Hautschnitten durchgeführt wird, ersetzt das zerrissene Band durch eine körpereigene Sehne. Meist wird ein Sehnenteil aus der Kniescheibensehne oder der Rückseite des Oberschenkels des gleichen Beines benutzt. Die Befestigung im Knochen erfolgt mit Schlaufen und Spezialschrauben, die sich nach dem Einheilen des Bandes auflösen. Wichtig ist eine gezielte Nachbehandlung durch Physiotherapie und Sporttherapie. Insgesamt dauert diese Behandlung länger als ohne Operation, denn das neue Band muss einheilen, bevor es voll belastbar ist. Neben dem Muskelaufbau muss das Knie auch die Feinsteuerung von Bewegung und Stabilität neu erlernen. Mit Arbeitsfähigkeit ist je nach Beruf ab 6. – 8. Woche zu rechnen. Sport ohne „Körperkontakt“ und schnellen Richtungswechsel ist meist nach 4 Monaten wieder möglich. Für alle anderen Sportarten dauert es 8 bis 12 Monate, bis eine unbedenkliche Belastung wieder möglich ist. Das gilt für Leistungs- und Freizeitsportler gleichermaßen.

Der richtige Zeitpunkt der Operation ist für den Erfolg sehr wichtig. Viele Spezialisten warten lieber bis zu 6 Wochen nach Verletzung, bevor sie ein neues Band einsetzen. Grund dafür ist, dass das Knie vollkommen entzündungsfrei und voll beweglich sein muss.

Kann es zu Spätfolgen kommen?

Leider ja. Bleibt das Gelenk instabil, kann es zu Schäden am Meniskus (meist Innenmeniskus), dem Gelenkknorpel und anderen Bändern kommen. Die Folge ist ein vorzeitiger Gelenkverschleiß, eine Arthrose. Das Risiko dafür ist bei nicht operierten Patienten deutlich erhöht.

Kann man sich vor einem Kreuzbandriss schützen?

Wegen der enormen Kosten der Behandlung, dem langen Ausfall des Sportlers für seinen Verein und zum Abwenden der möglichen Spätschäden beschäftigen sich Sportmediziner und Profivereine schon längere Zeit mit prophylaktischen Maßnahmen. Nachgewiesen ist, dass ein gezieltes Aufwärmen vor dem Sport bereits die Verletzungsrate senkt. Ebenfalls effektiv ist das gezielte Training der Muskelsteuerung durch Übungen für die Balance und Geschicklichkeit. Das sollte auch jeder Freizeitsportler umsetzen. Eine Beratung und Übungsanleitung zahlt sich in jedem Fall aus.

Links ist ein intaktes Kreuzband zu sehen, rechts ein gerissenes

Links ist ein intaktes Kreuzband zu sehen, rechts ein gerissenes

Erschienen in den Ruhrnachrichten, Oktober 2012. (Klicken Sie hier [263 KB] , um den Original-Artikel anzuzeigen)