Wenn die Schulter schmerzt
Wer kennt das nicht: nach einem Tag voller Aktivität – man hat zum Beispiel zu Hause renoviert und viel über Kopf gearbeitet – kann man am nächsten Morgen plötzlich den Arm vor Schmerz nicht mehr heben. Erst jetzt nehmen wir bewusst wahr, wie viel Beweglichkeit uns das Schultergelenk ermöglicht und wie sehr wir es im Alltag brauchen. Aber nicht nur die reine Belastung im Arbeitsalltag führt zu Schulterbeschwerden. Der Trend zu intensiver , auch extremer sportlicher Aktivität bis in das höhere Lebensalter rufen häufiger Schulterschmerzen hervor.
Das Besondere am Schultergelenk ist, dass es fast ausschließlich von Sehnen, der Kapsel und den Muskeln in seiner Position stabilisiert wird. Der Vorteil ist ein großes Bewegungsausmaß. Leider reagiert aber das Gelenk dadurch auf Störungen dieser Sehnenstrukturen auch sehr empfindlich. Ein breiter Sehnenmantel aus mehreren Sehnen bildet die Rotatorenmanschette. Sie umschließt den Oberarmkopf und bewegt den Arm. Oft entstehen verschleißbedingt Risse in dieser Sehne. Zuerst sind sie klein und oft betreffen sie nicht die ganze Schichtdicke der Sehne. Die Supraspinatussehne ist am häufigsten betroffen. Ein Sturz oder ein ruckartiges Festhalten mit dem Arm können dann zu größeren Rissen führen. Die Schmerzen strahlen oft in den Oberarm aus und mitunter kann man nachts nicht auf der betroffenen Seite liegen und wird wach.
Die Behandlung erfolgt mit schmerz – und entzündungshemmenden Medikamenten, unterstützt durch Krankengymnastik und physikalischen Anwendungen. Bleibt der Erfolg aus, kann auch eine Operation notwendig werden. Viele Schulterbeschwerden werden unter dem Begriff „Impingementsyndrom“ geführt. Das Wort beschreibt eine Enge zwischen dem knöchernen Schulterdach und dem Oberarmkopf. In einem tunnelähnlichen Raum verläuft der größte Anteil der Rotatorensehnen, dort befindet sich auch ein Schleimbeutel. Eine Enge dieses Raumes kann verschiedene Ursachen haben. Knochenanbauten am Unterrand des Schulterdaches, Schwellungen der Sehnen oder Schleimbeutelentzündungen kommen am häufigsten vor. Meist ruft eine Störung die nächste hervor und es ist wichtig, die Ursache der Beschwerden festzustellen.
Im Falle einer Schleimbeutelentzündung helfen Medikamente und physikalische Maßnahmen. Eine Kalkschulter (Tendinosis calcarea), bei der Kalk in der Rotatorenmanschette abgelagert ist, kann zusätzlich mit einer fokussierten Stoßwellentherapie behandelt werden. In hartnäckigen Fällen ist eine Operation erfolgreich. Der Schmerz ist das wesentliche Merkmal dieser Erkrankungen und der Betroffene ist meist unbewusst dazu geneigt, die Schulter weniger oder gar nicht zu bewegen. Erst spät merkt man dann die Steife des Gelenkes. Da die Bewegungen des Armes mit Hilfe der Nachbargelenke in der Wirbelsäule erzwungen werden, kommt es oft in der Folge zu Nacken – und Rückenschmerzen. Die Schultersteife (englisch: frozen shoulder) kann also Folge von anderen Störungen im Schultergelenk sein. Sie kann aber auch eigenständig auftreten. Die Ursache ist nicht bekannt. Die Behandlung besteht in Schmerzbeseitigung und intensiver Krankengymnastik. Anderenfalls ist eine arthroskopische Operation erforderlich.
Bei jungen Menschen dominieren die schmerzhaften Sportverletzungen. Nach einem Ausrenken (Luxation) des Gelenkes kommt es häufig zum Abriss der Kapsel und des Knorpelrandes (Labrum) an der vorderen Seite der Schulter. Eine schmerzhafte Instabilität und Bewegungseinschränkungen können die Folge sein. Auch ein Abriss der langen Bicepssehne, wie sie bei Wurfsportarten vorkommt, macht derartige Probleme . Auch hier eignet sich das arthroskopische Stabilisierungsverfahren hervorragend. Im höheren Lebensalter finden wir auch im Schultergelenk alle Formen der Verschleißerkrankung, der Arthrose. Bei weitem müssen nicht alle diese Erkrankungen operativ behandelt werden.
Eine gute Schmerztherapie, Krankengymnastik und physikalische Therapie führen oft zum Erfolg. Gerade am Schultergelenk sehen wir sehr oft fortgeschrittene Verschleißerkrankungen. Oft kann der Arm schon gar nicht mehr zum Kopf geführt werden, was aber für unser tägliches Leben , wie essen, Kleidungsstücke wechseln und frisieren sehr wichtig ist. Der Patient merkt diese Veränderung oft gar nicht sofort, denn die Arme benötigen wir nicht zum Gehen und sie tun nicht bei jedem Schritt weh, wie Knie und Hüften. Die Schulter wird deshalb häufiger geschont und kann sogar einsteifen. Aber auch für die Arthrose des Schultergelenkes ist der Ersatz durch ein Kunstgelenk (Endoprothese) in der Hand des Spezialisten inzwischen eine ausgezeichnete etablierte Therapiemethode.
Erschienen in den Ruhrnachrichten, März 2012. (Klicken Sie hier [1.470 KB] , um den Original-Artikel anzuzeigen)